Was ist Schamanismus?
Was ist traditioneller Schamanismus?
Der traditionelle Schamanismus ist ein uraltes naturmagisches Brauchtum. Er ist sehr vielseitig, denn die Kultur in der er praktiziert wird, gibt ihm jeweils eine ganz spezifische Ausprägung. Die traditionellen schamanischen Gebräuche können daher sehr unterschiedlich sein. Sehr verbreitet im Schamanentum sind die magische Heilung, Trommeln, Rasseln, Tanz, Gesang, Räucherungen, Pflanzenheilkunde, Pilzkunde, rituelle Anrufungen von Naturgeistern und Ahnenkräften und Energieübertragungen. Im Zentrum stehen in der Regel ekstatische Bewusstseinsreisen, Trance-Techniken und die tiefe Verbindung zur Erde und der Natur.
Außerdem sind Initiationsrituale und Übergangsrituale gebräuchlich, die dazu beitragen herausfordernde Lebensveränderungen gut meistern zu können, wie zum Beispiel Geburt, Pubertät, Heirat oder Tod. Im Bereich der Pflanzenheilkunde geht es um überliefertes Kräuterwissen und Kräuteranwendungen in Form von Räucherungen, Massagen und Kräutermedizin.
Man findet auch die Vorstellung eines Weltenbaums, eines kosmischen Berges, die Aufteilung der Welt in Unter-, Himmels- und Menschenwelt und die symbolische Arbeit damit. Philosophie, Mythologie und Lehrgeschichten dienen der Vermittlung von Weisheit für ein gutes Leben. Durchgeführt werden auch Opferrituale und Rituale mit Feuer und Wasser zur Reinigung.
Der Kontakt mit den verstorbenen Ahnen und auf der anderen Seite des Lebens die Hebammenfunktion gehören ganz traditionell in die Hände von Schamanen oder Schamaninnen. Eine wichtige Rolle spielt auch die Kommunikation mit Tiergeistern, Steingeistern, Pflanzengeistern, dem Geist der Erde und des Himmels und anderen Naturwesen. Für die Hellsicht und Orakelarbeit werden Kristalle, Knochen, Pflanzenteile und dergleichen genutzt. Zudem beschäftigen sich viele Schamanen auch mit Traumdeutung und mit Wachträumen. Die Veränderung der Körpergestalt gehört bei manchen schamanischen Traditionen ebenfalls dazu. Dem Schamanen wird hierbei die Fähigkeit zugesprochen sich zum Beispiel in ein Tier oder einen Baum verwandeln zu können, entweder symbolisch, energetisch oder sogar tatsächlich.
Außerdem beschäftigen sich manche Schamanen mit der Meisterung des Feuers, also zum Beispiel barfuß über glühende Kohle gehen oder Schnee mithilfe von speziellen Energie- und Körperübungen zum schmelzen bringen. Der Gebrauch von Psychedelika, also die rituelle Einnahme von bestimmten Pflanzengebräuen oder Pflanzenteilen, das Rauchen dieser oder der Konsum von psychoaktiven Pilzen gehören in manchen schamanischen Kulturen auch zum Brauchtum dazu. Traditioneller Schamanismus ist ein riesiges Phänomen und überall auf der Erde und in jedem Zeitalter zeigt er sich in einem anderen Kulturkleid. Dennoch ist die Essenz immer die selbe.
Was bedeutet das Wort Schamane?
Das Wort „Schamane“ geht auf das tungusische Wort „shaman“ zurück. Es bedeutet so viel wie „Wissender“. Schamanen sind die, die mehr wissen als andere. Sie wissen Dinge, die das Alltägliche, das normal Greifbare übersteigen, weil es ihr Fachgebiet ist, sich damit theoretisch und praktisch zu beschäftigen.
„Schamane“ ist jedoch nur ein Begriff. Viel wichtiger ist, was derjenige, den wir als Schamanen bezeichnen, vermag und tut.
Das Wort „Schamanismus“ ist heute eine Art Sammelbergiff geworden, eine Schublade, die man aufmacht, in die alles hineingehört, was irgendwie mit außerkörperlichen Reisen, Kommunikation mit Naturgeistern und Verstorbenen, Naturmedizin und Zauberpflanzen, archaischen Trance-Techniken, rhythmischem Trommeln und magischer Heilung zu tun hat.
Der Begriff Schamanismus beschreibt eine bestimmte Geisteshaltung und kulturelle Richtung. Das Wort Schamanentum weist auf die schamanischen Brauchtümer hin, also den praktischen, erfahrenden Aspekt. Schamanismus und Schamanentum werden jedoch oft synonym benutzt.
Die schamanische Weltsicht und Kosmologie
Schamanen sehen die Welt als beseelt, als durchdrungen von Bewusstsein und bestehend aus Energie. Man kann es auch so ausdrücken, dass Schamanen davon ausgehen, dass alles, was es gibt, ein Ausdruck der selben Lebenskraft ist. Somit ist alles eine Facette eines großen Ganzen. Jedes Tier, jede Pflanze, jeder Stein, jeder Mensch, jedes Phänomen – alle gehören sie zu einer Einheit des Lebens.
Oft werden auch verschiedene andere Dimensionen und Existenzebenen beschrieben, wie etwa jenseitige Welten, in denen die Verstorbenen weiter existieren. Aber auch tiefer schwingende, höllenähnliche Zwischenebenen, wo verlorene Seelen hin abdriften können und auch bestimmte Bereiche, wo die Naturgeister hausen. Hier treffen überlieferte Vorstellungen, Mythologie und teils auch religiöse Vorstellungen auf echte Erfahrungen der Schamanen und Schamaninnen in der Anderswelt. Und daran orientiert sich dann einfach die jeweilige schamanische Arbeitsweise. Man kann jedoch auch völlig unabhängig von solchen überlieferten Modellen schamanisch wirken, indem man sich direkt an das hält, was man wirkend vorfindet.
Ist Schamanismus eine Religion?
In schamanischen Traditionen findet man Geister und Götter. Je nachdem wo auf der Welt man sich befindet, also in welcher schamanischen Kultur, gibt es diesbezüglich andere Vorstellungen. Mal gibt es einen Himmel mit göttlichen Wesen darin und mal findet man einen universellen Geist, der alles belebt. Schamanismus ist keine Religion im Sinne der monotheistischen Religionen, bei denen es ein Dogma gibt und Moral. Aber in schamanischen Traditionen kann man solche religiösen Inhalte finden. Das Schamanische an sich ist jedoch frei von religiösem Glauben, da es im Kern eine direkte spirituelle Praxis ist.
Es gibt nicht den einen Schamanismus. Sondern es existiert eine Essenz des Schamanischen, die in verschiedensten Kulturen, seien sie religiös geprägt oder nicht, auftaucht. Aber am Ende geht es nicht um die Worte, sondern um das wirkliche Phänomen der Schamanenkraft, das man letztlich nur durch eigene Erfahrung begreifen kann. Alle anderen, die probieren es rein mental zu verstehen, können zwar Informationen darüber anhäufen, werden jedoch unwissend bleiben.
Schamanismus ist keine Religion, sondern ein großer Werkzeugkasten für nichtalltägliche, naturmagische Arbeitsweisen und eine ganzheitliche, spirituelle Weltsicht, die je nach Kultur etwas anders ausgeformt ist.
Was sind traditionelle schamanische Heilweisen?
Die magische Heilung beziehungsweise die spirituelle Geistheilung und die Heilarbeit mit Lebensenergie und mit Naturkräften sind ein großer Aufgabenbereich der traditionellen Schamanen und Schamaninnen. Aber nicht jeder Schamane ist ein Heiler. Mit schamanischen Techniken kann man auch einfach Bewusstseinsreisen in andere Dimensionen unternehmen, ohne sich mit Heilung zu beschäftigen. Manche Schamanen nutzen ihre magischen Rituale auch um sich einen finanziellen Vorteil anderen gegenüber zu verschaffen oder gar anderen zu schaden. Schamane ist also nicht gleich Schamane. Und nicht jeder Schamane ist weise und spirituell. So wie in allen Tätigkeitsfeldern gibt es gute Vertreter der Branche und auch nicht so gute.
Ein recht bekanntes schamanisches Heilritual ist die schamanische Seelenrückholung. Hier geht man davon aus, dass ein Kranker einen Teil seiner Seele verloren hat. Ihm fehlt dadurch eine Menge Lebenskraft und seelische Ressourcen. Die Aufgabe des Schamanen ist es dann, diesen verlorenen Seelenteil wieder zurück ins Leben zu bringen.
Außerdem ist die Vorstellung von „bösen Geistern“ im traditionellen Schamanismus verbreitet, die sich in die Lebenden hineinsetzen und dort eine Krankheit verursachen können. Man kann es so sehen, dass das die Erklärung von jemandem ist, der nicht weiß, dass es Bakterien und Viren gibt, die für bestimmte Krankheiten die Ursache sein können. Auf der anderen Seite schauen Schamanen besonders auf das Energetische und das Geistige. Und dort kann man zum Beispiel auch schädliche Energien, emotionale Traumata, Leid erzeugende geistige Konditionierungen und manchmal auch verirrte verstorbene Menschen finden, die ihr Unwesen treiben. Diese könnte man recht bildhaft „böser Geist“ oder „die eigenen Dämonen“ nennen. So spielt die schamanische Extraktion neben der schamanischen Heilarbeit ebenfalls eine wichtige Rolle. Dabei geht es darum, solche „Krankheits-Geister“ aus dem Menschen zu entfernen und den davon angerichteten Schaden zu harmonisieren.
Auch Pflanzen- und Pilzmedizin sind große Werkzeuge im schamanischen Heiler-Repertoire. Je nach Gegend gibt es hier unterschiedliches Wissen und Anwendungen. Viele der modernen medizinischen Präparate fußen auf altem schamanischen Kräuterwissen.
Die Ursprünge des Schamanismus
Das Schamanentum ist uralt. Es hat seine Anfänge in den Tiefen der menschlichen Erfahrung und ist damit so alt wie die Menschheit selbst. Als der Mensch damit begann sich als ein Teil der Natur zu begreifen – eines Großen Ganzen, das weit über das Alltägliche hinausreicht – und als er nach und nach heraus fand, wie er sich bewusst auf die Rhythmen und Kräfte der Natur einschwingen und diese nutzen kann, wurde das, was wir heute Schamanismus nennen, geboren. Das Schamanische geht einher mit der Erkenntnis, dass jedes einzelne Wesen und Phänomen in der Welt Ausdruck derselben Lebenskraft ist. Manche sprechen daher beim Schamanismus von einer Art Urreligion, von der ersten Religion oder von Naturspiritualität.
Der Schamanismus trat auf die Bühne des Lebens als der Mensch begann sich selbst in der Welt zu erkennen, als er das Feuer bändigte, verstand wie er die Naturphänomene zu seinen Gunsten nutzen konnte und lernte gezielt sein Bewusstsein für das Nichtalltägliche und Jenseitige zu erweitern.
Das Schamanentum ist ein integraler Teil des Menschseins. Es hat die Menschheit viele Jahrtausende intensiv begleitet, bei weitem länger als alle modernen Anschauungen über die Welt. Der Schamane als Archetyp schlummert in jedem von uns. Und manche machen sich auf den Weg ihn zu erwecken und seine urgewaltigen Kräfte nutzen zu lernen.
Der Weg der alten Schamanen
Die alten Schamanen reisten seit Anbeginn mit ihrem Bewusstsein in jenseitige Dimensionen, heilten mit Pflanzen- und Tiermedizin, mit Pilzen, mit Wasser und Feuer, Gesang, Tanz und Musik. Sie blickten auf die Lebenskraft, die sich in allem zeigt. Und war diese nicht in Einklang mit der Natur, dann war es die Aufgabe der Schamanen wieder Harmonie herzustellen.
Die Schamanen kannten die magischen Gesetze der Welt und wussten sie gezielt zu nutzen, um ihre Realität zu verändern. Sie wussten, dass alles beseelt ist, dass alles von einem bewussten Geist und Energie durchdrungen ist. Sie glaubten nicht nur daran, sondern sie schufen und bestätigten ihr Wissen immer wieder durch eigene Erfahrung.
Die Evolution des Schamanismus
Das Schamanentum, so wie wir es heute noch bei indigenen Völkern beobachten können, hat natürlich, wie alle Brauchtümer, eine lange Entwicklung hinter sich. Komplexe kulturelle Phänomene, wie der Schamanismus, tauchen nicht einfach so fix und fertig auf. So wie Menschen ihre Lebensweise im Laufe der Zeit ändern, ihre Sichtweisen und Erklärungen über die Welt, was richtig und was falsch ist, so ändert sich auch ihre gesamte Kultur.
Und bei den schamanischen Kulturen ist es genau so. Religiöse Inhalte vermischten sich im Laufe der Jahrtausende und auch Mythologien änderten sich. Es wurden Vorstellungen und Arbeitsweisen über Bord geworfen, manches vergessen, anderes von wo anders übernommen und immer wieder Neues entdeckt und integriert. Jeder Schamane, jede Schamanin machte eigene Erfahrungen und fügte sie den alten überlieferten Weisen hinzu. So entwickelte sich jede Form des schamanischen Brauchtums mit den Menschen bis heute stetig weiter.
Heute sehen einige eine Zeit des Niedergangs der Schamanenkraft. Der alte schamanische Weg ist heute nicht mehr gehbar. Denn die Zeitqualität und die Menschen haben sich einfach stark geändert, man könnte auch sagen sie haben sich von der Natur entfremdet. Sie spüren die Verbindung zum großen Ganzen nicht mehr, suchen diese jedoch in Erfolg, Anerkennung, Geld, Konsum, in den Vergnügungen und Ablenkungen der Welt. Das eröffnet uns jedoch einen Raum für einen neuen schamanischen Weg, passend für die Menschen die hier und heute Leben. Die aktuelle Zeit weist uns den Weg, wie wir die alte schamanische Kraft in neuer Form wiederbeleben können.
Schamanismus – Von der Steinzeit bis in die Neuzeit
Seinen Anfang nahm der Schamanismus vor vielen Hunderttausend Jahren, als Menschen noch als Nomaden in der Wildnis lebten und den Naturkräften ausgesetzt waren. Leben und Tod hing davon ab, wie gut man in Einklang mit der Natur lebte, wie man sie lesen konnte und auch Veränderungen vorhersehen. Dazu gehörte es die Sterne zu beobachten, Sonne- und Mondphasen, Wind- und Wetter, Vegetation und das Verhalten der Tiere zu deuten. Aber auch magische Techniken, wie Hellsicht, Bewusstseinsreisen, Kommunikation mit Naturgeistern und Orakel waren Teil der schamanischen Möglichkeiten. Die Schamanen waren die Vermittler zwischen den unsichtbaren Kräften und den Menschen, zwischen Leben und Tod, zwischen Tod und Leben. Sie waren die Experten für Heilung, Spiritualität, Vorhersagen, Zeremonien, Lebensweisheit und die Bewahrer des überlieferten Wissens.
Die alten Schamanen wussten, dass wenn sie in Verbindung mit dem großen Unbekannten treten wollten, das was hinter dem Alltäglichen wirkt, dass sie ihre außerkörperlichen Fähigkeiten nutzen mussten. So entstanden schamanische Techniken der gezielten Bewusstseinsveränderung, der Trance und der außersinnlichen Wahrnehmung, stets im Zusammenwirken mit den Kräften der Natur. Überall auf der Erde gab es einst Schamanen, egal wie man sie nannte. Und in jeder Kultur hatten ihre Brauchtümer eine andere Form. Denn die schamanischen Arbeitsweisen hingen mit der sie umgebenden Natur zusammen und mit den traditionellen schamanischen Überlieferungen. So ist heute überall auf der Erde der Schamanismus kulturbedingt anders, aber im Kern sind es immer noch die gleichen Wurzeln und Essenzen. Man kann daher sagen, dass der Schamanismus in Form von archaischen Trance-Techniken und schamanischen Ritualen seinen Ursprung überall auf der Erde hat, denn alles war einst Natur.
Mit dem Aufkommen des Ackerbaus und der Viehzucht und damit der Seßhaftwerdung der meisten Menschen vor ca. 8000 Jahren hat sich dann viel im sozialen Leben verändert und damit auch in den Weltanschauungen. Man war dadurch nicht mehr ganz so abhängig vom Jahreslauf, konnte Vorräte anlegen und ganze Siedlungen erbauen und damit teilweise der Gewalt der Natur trotzen. Schamanen wurden nach und nach von Priestern und Ärzten abgelöst und Gesellschaftsstrukturen mit Gesetzen und Politik setzten sich durch, denn wenn viele Menschen nah zusammenleben, braucht es Regeln für die allgemeine Sicherheit. Dann wurde die Philosophie im antiken Griechenland geboren. Aus ihr entstanden im Laufe der letzten Jahrhunderte die modernen Naturwissenschaften und vor ungefähr 100 Jahren als Abspaltung davon die moderne Psychologie. Heute schließt sich der Kreis, denn die aktuelle Psychologie hat viele Gemeinsamkeiten mit schamanischer Heilarbeit.
Es gibt heute Gegenden auf der Erde, in denen eine Form von traditionellem Schamanentum immer noch lebendig ist. Diese Brauchtümer sind natürlich nicht so wie vor Zehntausend Jahren. Schamanismus hat viele Entwicklungen hinter sich und musste mit der Zeit und den Menschen gehen. In der westlich-abendländischen Kultur haben wir heute keine schamanische Tradition mehr, die ununterbrochen einige Jahrhunderte oder gar Jahrtausende zurück reicht. Der Hauptgrund dafür ist wohl die christliche Religion mit ihrer Missionierung. Dennoch schlummert das schamanische Wissen in den Wäldern, in den Steinen, in den Flüssen und in den Menschen selbst als natürliche Veranlagung und wartet darauf zeitgemäß ins Leben zurückzukehren.
Was ist die Essenz des Schamanismus?
Schaut man sich verschiedenste schamanische Traditionen an, kann man gewisse Überschneidungen erkennen. Es gibt auch rote Fäden, die durch alle Schamanentümer hindurch gehen, auch wenn die Rituale und Erklärungen sich unterscheiden oder gar widersprechen. Im Kern befindet sich immer das selbe – die Essenz des Schamanismus.
Hier geht es vor allem um die schamanischen Fähigkeiten. Ohne diese können der Schamane und die Schamanin nicht schamanisch wirken. Diese besonderen Fähigkeiten sind in jedem Menschen angelegt. In einer schamanischen Ausbildung werden diese intensiv trainiert und geformt. Dazu gehört das Bewusstsein über die Lebensenergie und die Fähigkeit diese gezielt zu nutzen und zu beeinflussen. Eine weitere schamanische Fähigkeit ist es den Geist bewusst leeren zu können und die eigene Wahrnehmung auf nichtalltägliche Existenzebenen zu verlagern, um zwischen diesen und dem Alltag vermitteln zu können. Dafür werden spezielle Trance-Techniken gemeistert. Die Wahrnehmung außerhalb des Körpers und des Alltags, also die außersinnliche Wahrnehmung, ist unumgänglich für schamanisch Praktizierende.
Im Herzen trägt das Schamanentum auch immer die Erkenntnis, dass alles zu einem großen Ganzen gehört und es einen großen Plan hinter allem gibt. Außerdem brauchen Schamanen einen Zugang zu den Welten der Naturgeister und deren Kräften. Hierfür werden ebenfalls spezielle Fähigkeiten trainiert. Im Kern ist es immer das Ziel beim Schamanismus, dass man sein Bewusstsein erweitert und über das Alltägliche hinausblickt, um schließlich wahrhaft frei zu werden.
Der Weg der neuen Schamanen
In unserer westlich-abendländischen Kultur ist uns die einst einheimische schamanische Tradition in den letzten Jahrhunderten abhanden gekommen. Kulturklau, indem man Brauchtümer von wo anders übernimmt, ist nicht die Lösung, um dies ungeschehen zu machen oder zu kompensieren. Ein Rückfall in neu interpretierte längst verlorene schamanische Traditionen, ist auch keine Lösung. Denn diese sind nicht zeitgemäß. Ein moderner schamanischer Weg, der wirklich funktioniert, ist der, dass wir den Kern des Schamanentums nehmen und in unsere eigene Kultur implementieren.
Wir klauen damit keine fremde Kultur und stülpen sie uns über. Sondern wir schauen auf unsere eigene, heutige Kultur und auf die in jedem Menschen angelegten schamanischen Fähigkeiten und auf die Kräfte, die wir hier und heute in der Natur um uns herum finden. Und damit gestalten wir eine Art zeitgemäßes Brauchtum, das frei von Dogmen ist, frei von fremden Mythologien und kryptischen Erklärungen. Es ist individuell flexibel anpassbar und wird belebt von den alten Wurzeln der Schamanenkraft. So haben wir im Kern das, was das Schamanische ausmacht und eine kulturelle Form, die für uns hier alltagstauglich und damit wirklich hilfreich ist.
Die schamanischen Praktiken und Erklärungsmodelle müssen an die Menschen von hier und heute gerichtet sein. Es ist wichtig den aufgeklärten und heute gut trainierten Verstand abzuholen und miteinzubeziehen. Menschen in unserer Gesellschaft haben Sorgen und Nöte, die es im Urwald in Südamerika nicht gibt. Die Menschen hier stehen vor ihren Herausforderungen in ihrem Alltag. Und ein modernes schamanisches Brauchtum sollte sie genau da abholen.
Auch die gesamte schamanische Arbeitsweise sollte passend zu unserer Kultur sein. Ein moderner schamanischer Praktiker kann nicht stundenlange Rituale machen für einen Menschen, nur weil der traditionelle Ritual-Ablauf es so vorgibt. Er hat nicht die Zeit und der nächste Klient wartet schon vor der Türe. Für jede Sitzung ein Huhn schlachten, stundenlange Märsche im Wald oder gemeinsam Fliegenpilze essen ist für die allermeisten auch nicht zumutbar. Das muss auch nicht sein. Eine moderne schamanische Arbeitsweise muss verantwortungsvoll sein und transparent – also professionell. Der schamanische Praktiker sollte gut erklären können, was er tut und warum er es tut und auch das Einverständnis seines Klienten vorab einholen.
Ein berufstätiger Schamane in unserer Gesellschaft muss so arbeiten, dass er seine Praxis erfolgreich am laufen halten kann und auch noch davon leben. Er muss auf eine Weise schamanisch arbeiten, wie es einerseits die gewünschten Ergebnisse bringt und es andererseits in seine laufende Praxis passt. Dabei darf aber die Schamanenkraft nicht verloren gehen, indem zum Bespiel die schamanische Sitzung in eine Wellness-Massage oder in eine psychologische Beratung abdriftet. Die Kraft des Schamanischen muss erhalten bleiben. Und diesen Mittelweg effizient zu gehen, das ist die große Herausforderung von modernen schamanisch Praktizierenden in unserer Gesellschaft.
So kann die schamanische Weisheit und Kraft bei uns Fuß fassen und langfristig viel Gutes wirken. Denn die Menschen heute ersehnen sich eine tiefe Verbundenheit mit der Natur und mit sich selbst, zudem mit den Phänomenen jenseits des Alltäglichen, aber sie wollen keinen Rückschritt in kryptische mythologische Weltsichten, religiöse Dogmen oder esoterische Worthülsen. Sie wollen es nachvollziehbar und transparent. Das ist der moderne schamanische Weg.
Wie sieht eine moderne schamanische Ausbildung aus?
Eine moderne schamanische Ausbildung muss klar strukturiert sein. Sie muss eine gute Theorie liefern als Basis für die Praxis. Denn dann ist bei jedem Schritt klar, was gerade geschieht. Das Schamanische findet im Nichtmateriellen statt. Es ist daher erst mal schwer für den Verstand oder mit materiellen Mitteln nachvollziehbar. Vieles kann dabei nur subjektiv bewertet werden. Denn schamanische Praktiken sind immer eine subjektive Erfahrung, die einzigartig ist und nicht reproduzierbar. Daher braucht es in der Ausbildung am besten einen Aufbau, bei dem Schritt für Schritt alle Erklärungen und Übungen sinnvoll und verstehbar aufeinander aufbauen.
Der optimale Aufbau ist daher, dass man zunächst dem Verstand eine umfangreiche Einführung gibt. Danach folgt das schamanische Grundlagentraining. Zunächst wird die Energetik verbessert, denn man braucht viel Energie und ein stabiles Energiesystem für eine kraftvolle und heilsame schamanische Trance. Man lernt wie man das Energielevel erhöht, die Erdungsfähigkeit stärkt und die energetische Abgrenzungsfähigkeit aufbaut. Außerdem lernt man energetische Selbstfürsorge und wie man eine energetische Hygiene im Leben etabliert.
Im nächsten Schritt widmet man sich dem Leeren des Geistes, der körperlichen Entspannung und der Fähigkeit gezielt ganz bestimmte Bewusstseinszustände einnehmen zu können, die für weitere schamanische Arbeitsweisen unabdingbar sind. Dann erst hat man alle Voraussetzungen, um sich der außersinnlichen Wahrnehmung und der Kommunikation mit Naturgeistern zu widmen. Hier ist das Training am besten so aufgebaut, dass man lernt echte Wahrnehmung von Fantasie zu unterscheiden. Immer wieder sollten die Ergebnisse hier geprüft werden auf Echtheit.
Haben die schamanisch Lernenden diese Hürde genommen, sind sie bereit für schamanische Trance-Reisen in andere Existenzebenen und auch in eigene höhere Bewusstseinsebenen. Dies ist wiederum die Voraussetzung für die fortgeschrittene schamanische Geistheilung, wie etwa Seelenrückholung, Extraktion, Ahnenarbeit und die Harmonisierung von geistigen Konfliktthemen. Nebenbei lernen die Teilnehmenden der schamanischen Ausbildung die Handhabung und Einbindung von schamanischen Ritualwerkzeugen in ihre Arbeitsweise. Dazu gehören unter anderem die Trommel, Rassel, Steine, Räucherungen und dergleichen. Ein wichtiger Inhalt sollten auch die Kompetenzen sein, die man braucht, um mit hilfesuchenden Menschen professionelle schamanische Sitzungen durchzuführen.
Am Ende geht es nicht darum eine bestimmte Tradition zu lernen, sondern die eigenen, inne wohnende Fähigkeiten gezielt zu trainieren und den Umgang mit Naturgeistern und Ritualwerkzeugen zu lernen, sodass man damit einen eigenen, unabhängigen und kreativen schamanischen Weg gehen kann. Eine moderne schamanische Ausbildung beinhaltet somit das Erwecken und Trainieren von schamanischen Fähigkeiten, die Anwendung dieser für die schamanische Heilarbeit und ist gleichzeitig ein echter, gut geerdeter, spiritueller Heilungs- und Befreiungsweg. So sehe ich es.
Autor: Benjamin Maier
Was macht ein Schamane?
Schamanen sind die Bewahrer des alten Wissens und der Gebräuche. Sie sind Heiler, Seher und oft auch spirituelle Berater und Medien.
